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verfasst von Dr. Dietrich Koch, 12.11.2006, 23:25
EB / Dr. Dietrich Koch
Kulturkampf in Leipzig
Am 30. Mai 1968 wurde die 1231 gegründete unversehrte
Leipziger Universitätskirche St. Pauli gesprengt, da sie nicht
an den sozialistischen Karl-Marx-Platz passe.
Am 27. Mai wurde ich vor der Kirche festgenommen und 19 Stunden lang verhört.Gegen mich wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dies führte zu meiner fristlosen
Entlassung aus der Akademie der Wissenschaften, wo ich als theoretischer Physiker arbeitete.
Gegen den barbarischen Akt der Sprengung gab es vielfältige Proteste.
Am 20. Juni 1968 entrollte sich vor dem internationalen Publikum des
III. Internationalen Bachwettbewerbs in der Leipziger Kongreßhalle
ein großes gelbes Plakat mit den Umrissen der Kirche, 1968 † und der
Aufschrift
„Wir fordern Wiederaufbau“. Mein Bruder Eckhard Koch und ich hatten die automatische Auslösung mit einem Wecker gebaut.
Nach anderthalb Jahren fieberhafter Suche des Stasi wurde ich verhaftet. Ich bin der einzige der
wegen Beteiligung an dieser Plakataktion Verurteilte – zu zweieinhalb Jahren und anschließender
unbefristeter Unterbringung in der Psychiatrie. Meine Hafterfahrungen habe ich beschrieben
in "Das Verhör - Zerstörung und Widerstand" http://verhoer.de/
In Leipzig bemüht sich eine Bürgerinitiative für den Wiederaufbau von
Universitätskirche und Augusteum e. V., oft "Paulinerverein" genannt. Erst kürzlich haben mein Bruder und ich dafür im Leipziger Forum Verlag
"Kulturkampf in Leipzig"
- Denkschrift zur Wiederaufbaudebatte Universitätskirche St. Pauli -
veröffentlicht.
Im "Paulinerverein" ist der Teufel los.Vor zwei Jahren wurde Dr. Ulrich Stötzner zum Vorsitzenden gewählt.
Er hat dabei verschwiegen, daß er am Tage der Sprengung innerhalb der
Absperrung "seinen Job gemacht hat", u. a. mit seismographischen Messungen.
Nachdem dies bekannt geworden war, bekundete am 3. Juni 2005 in der Leipziger
Volkszeitung das in den USA lebende Vereinsmitglied Dr. Sonja Heß u. a. kritisch
"Verwunderung" über das Verhalten Stötzners am 30. Mai 1968, und Eckhard Koch,
immerhin stellvertretender Vorsitzender des "Paulinervereins", wird mit den Worten
zitiert: "Ich jedenfalls hätte mir nicht vorstellen können, inmitten der großflächigen
Absperrungen anwesend zu sein."
Im damaligen LVZ-Forum folgte eine lebhafte und teilweise sehr kritische Diskussion
zum Verhalten Ulrich Stötzners am Tage der Sprengung.
Ich schrieb "Können Sie sich vorstellen, dass die Stasi mich für eine Aufgabe
innerhalb der Absperrung für geeignet befunden hätte?" - ohne Stötzners Namen
zu erwähnen.
Frau Dr. Henrike Dietze schrieb im
Diskussionsform Wiederaufbau der Leipziger Universitätskirche
http://f15.parsimony.net/forum25088/"Und so hält sich auch einer für geeignet, sich zum Vorsitzenden in
der Bürgerinitiative für den Wiederaufbau von Universitätskirche und
Augusteum in Leipzig e. V. wählen zu lassen, der ein Helfershelfer
auf der Seite der Kirchensprenger war."
In der Mitgliederversammlung am 25.11.2006 sollen wegen dieser
Äußerungen Dr. Henrike Dietze, Dr. Sonja Heß, Dr. Dietrich Koch
und Dr. Eckhard Koch ausgeschlossen werden.
Kann jemand ernstlich glauben, die Stasi hätte mich zwei Tage nach meiner
Festnahme vor der Kirche für geeignet befunden, innerhalb der Absperrungen
"meinen Job" zu tun?
Die Bürgerinitiative für den Wiederaufbau ist doch kein Kameradschaftsverein
von ehemaligen MfS-Mitarbeitern, wo es ehrenrührig sein könnte, nicht vom
MfS für geeignet befunden worden zu sein.
Daran darf auch Ulrich Stötzners Tätigkeit als Seismograph im Inneren der
Absperrung nichts ändern.
Wir, die wir ausgeschlossen werden sollen, sind satzungstreue Mitglieder.
Wir wollen den Wiederaufbau als ein Symbol der friedlichen Revolution und
zur Erinnerung an den Widerstand gegen die barbarische Kirchensprengung
und an dessen Opfer.
In der ehemaligen DDR 1961 bis 1964 Haft wegen so genannter fortgesetzter staatsgefährdender Propaganda und Hetze (§ 19 Abs. 1 Ziff. 2 StEG)