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Wir dürfen nie vergessen!
Von GEORG GAFRON
Präsident Köhler im Stasi-Knast
Die alten und neuen Kader der SED, die sich heute Linkspartei nennt, wünschen sich schon lange einen Schlussstrich unter die Aufarbeitung der DDR-Diktatur.
Noch mehr gilt das für die Mitglieder ihrer kriminellen Vereinigung, dem berüchtigten Staatssicherheitsdienst. Doch auch viele andere meinen, 17 Jahre nach dem Fall der Mauer sollte man die Akten schließen.
Wirklich entscheiden können das aber nur die Opfer. Immer noch leiden Tausende unter den Folgen unmenschlicher Haftbedingungen und zerstörter Lebensläufe. Von den Angehörigen der an Mauer und Todesstreifen ermordeten 1065 Flüchtlinge ganz zu schweigen.
Bundespräsident Horst Köhler hat mit seinem Besuch in dem ehemaligen Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen gestern ein Zeichen gesetzt. Sein Gespräch mit den Opfern der zweiten deutschen Diktatur im vorigen Jahrhundert ist für viele eine späte Genugtuung.
Auch die Schrecken der SED-Herrschaft dürfen wir nie vergessen
http://www.bild.t-online.de/BTO/news/sta.../kommentar.html
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Der Präsident im Stasi-Knast
Berlin – Bundespräsident Horst Köhler und Gattin Eva Luise
(schwarzes Kostüm, schwarzes Cape) besuchten gestern das ehemalige Stasi-Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen in Berlin.
„Hier darf nichts vergessen werden und Gerechtigkeit zu schaffen braucht einen langen Atem“, schrieb Köhler ins Gästebuch.
Im sogenannten „U-Boot“, dem düsteren Kellertrakt, legte der Präsident vor einem zwei mal zwei Meter engen Raum mit Holzpritsche und Metallkübel einen Kranz nieder –
gelbe Rosen, rote Gerbera.
Dann zwängte sich der 1,78 Meter große Köhler in die 1,62 hohe „Beugehaft-Zelle“.
Dort litten Häftlinge Höllenqualen.
Stasi-Opfer Dieter von Wichmann (68) war vier Monate dort eingekerkert.
Sein „Verbrechen“: Er wollte 1963 aus der DDR flüchten.
Opfer Edda Schönherz (62):
„Im September 1974 kam ich hier in U-Haft.“ Sie hatte sich in Ungarn bei westlichen Botschaften nach einer Möglichkeit erkundigt, die DDR zu verlassen. http://www.bild.t-online.de/BTO/news/akt...tasi-knast.html
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Köhler fordert mehr Verständnis für Stasi-Opfer 14. Nov 22:52
Er sei bedrückt von dem, was er gesehen habe, hat Bundespräsident Köhler bei einem Besuch der Stasiopfer-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen gesagt. Er rief die Öffentlichkeit auf, ehemals Verfolgten besser zuzuhören.
weiter: http://www.netzeitung.de:80/deutschland/453345.html
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"Gerechtigkeit braucht langen Atem"
Wenn der Bundespräsident eine Gedenkstätte wie das ehemalige Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen besucht, darf man das getrost auch als politisches Signal verstehen. (14.11.2006, 17:16 Uhr)
Berlin - Köhler sei "bedrückt", sagt er in Begleitung seiner Frau Eva Luise mit ernster Miene nach einem Rundgang über das Gelände, das als eines der Symbole des DDR-Unrechtsregimes gilt.
Inmitten der zum Geschichtsmuseum umfunktionierten Wachtürme und von Stacheldraht umsäumten Gefängnisbarracken zeigt sich Köhler entsetzt über die Methoden, mit denen die DDR die Dissidenten unterdrückt hat. Dann aber schlägt der Präsident den Bogen von der Vergangenheit zur Gegenwart: Inakzeptabel sei auch, wie mit den Opfern heute umgegangen werde. Ehemalige Häftlinge hätten ihm berichtet, dass ihnen nicht die "nötige Aufmerksamkeit" geschenkt werde.
Unmenschliche Haftbedingungen
Gemeinsam mit dem Direktor der Gedenkstätte, Hubertus Knabe, hatte das Ehepaar Köhler zuvor einen Rundgang über das Gelände unternommen und sich anschließend eine knappe Stunde lang von den ehemaligen Häftlingen deren aktuelle Sorgen schildern lassen. Dem "ersten Wunsch" der Opfer nach einer angemessenen Entschädigung werde offenbar nicht nachgekommen, betont Köhler nach der Begegnung.
Knapp 40 Jahre lang befand sich auf dem Gelände die zentrale Untersuchungshaftanstalt des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). In 120 Vernehmungszimmern fanden stundenlange Verhöre statt. Die Haftbedingungen für die politisch Verfolgten waren unmenschlich: Tag und Nacht brannte in den fensterlosen Zellen das Licht, immer wieder wurden die Gefangenen aus dem Schlaf aufgescheucht, und nur das Wasser aus der Toilettenspülung war genießbar.
Köhlers Besuch fällt in eine Zeit, in der über die Aufarbeitung der DDR-Diktatur gestritten wird. Die Regelüberprüfungen auf Stasi-Mitarbeit laufen nach jetziger Gesetzeslage Ende des Jahres aus. Eine gemeinsame Gesetzesnovelle von SPD, Union und Grünen sollte die Überprüfungen künftig auf gehobene Beamte, Politiker und Richter beschränken und zudem an einen Verdacht knüpfen. Dagegen haben sich vor allem ehemalige DDR-Bürgerrechtler und Politiker aus den neuen Ländern gewandt, die einen Schlussstrich unter die Stasi-Aufarbeitung befürchten. Die für vergangenen Freitag geplante Abstimmung im Bundestag wurde gerade auf Drängen der Union um zwei Wochen verschoben.
Erinnerung dürfe nicht "verblassen"
Köhler macht sich für eine Weiterführung der Aufarbeitung stark. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass die Erinnerung an das SED-Unrechtsregime "verblasst". In das laufende Gesetzgebungsverfahren um die Novelle des Stasiunterlagengesetzes wolle er sich zwar nicht einmischen, doch hätten es die Opfer "verdient, dass ihnen besser zugehört wird". Im Gästebuch der Gedenkstätte hinterlässt Köhler eine klare Mahnung: "Hier darf nichts vergessen werden und Gerechtigkeit zu schaffen, braucht einen langen Atem."
Als Köhler auf dem Gelände zufällig der Schulklasse eines Celler Gymnasiums begegnet, fragt er die Schüler spontan, ob das Thema DDR denn auch schon in ihrem Unterricht behandelt worden sei. Zudem will er wissen, ob die Gymnasiasten auch vom damaligen Stasi-Chef Erich Mielke gehört hätten. Beides bejahen die Schüler, Köhler nickt zufrieden. (Von Haiko Prengel, ddp)
http://www.tagesspiegel.de:80/berlin/nac...ausen/80665.asp
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SED-Regime
Die Opfer leiden immer noch Von Claus Peter Müller, Erfurt
14. November 2006
Der SED-Staat brach vor 17 Jahren zusammen, aber das Unrecht, das im Namen der Partei begangen wurde, ist immer noch nicht geheilt. Monat für Monat gehen bei der Thüringer Rehabilitierungsbehörde etwa 70 neue Anträge von Stasi-Opfern auf strafrechtliche, verwaltungsrechtliche oder berufliche Rehabilitierung „zur Bereinigung von SED-Unrecht ein“. Heike Schrade hat als Referatsleiterin für Rehabilitierung im Thüringer Sozialministerium in Erfurt die Fachaufsicht über all diese Anträge.
Mit dem Argument, solange die Opfer nicht rehabilitiert seien, dürfe es keinen Täterschutz geben, hatte Sozialminister Klaus Zeh (CDU) in den vergangenen Wochen die „Entfristung“ des Stasi-Unterlagen-Gesetzes gefordert, das am Jahresende ausgelaufen wäre. Der Bundesrat hatte einen entsprechenden Thüringer Antrag unterstützt und eine Verlängerung der Regelanfrage für Bewerber im öffentlichen Dienst befürwortet. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz, sagte Thüringens Justizminister Harald Schliemann (CDU), zwinge nicht zur Anfrage bei der Birthler-Behörde, aber es regelt, über welchen Personenkreis die Behörde Auskunft zu geben hat, damit die Eignung eines Bewerbers im öffentlichen Dienst in einem rechtsstaatlichen Verfahren überprüft werden kann.
„Gerechtigkeit braucht langen Atem“
weiter : http://www.faz.net/s/RubFC06D389EE76479E...n~Scontent.html
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Köhler gegen Verniedlichung der DDR-Diktatur
Bundespräsident Horst Köhler fordert eine gründlichere Aufarbeitung der Stasi-Geschichte: Im ehemaligen Stasi-Knast Hohenschönhausen sprach er mit Opfern des SED-Regimes. Anschließend sagt er: "Die Erinnerungen dürfen nicht verblassen."
http://www.spiegel.de/politik/deutschlan...,448448,00.html
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Köhler mahnt zur Besonnenheit bei Stasi-Debatte
Von Sven Siebert, Berlin
Novelle. Justizministerin Zypries tritt für das Ende der Regelüberprüfung ein.
In der Debatte über eine Verlängerung der Stasi-Überprüfungen hat Bundespräsident Horst Köhler zur Besonnenheit aufgerufen. Es sei im Interesse der Opfer der SED-Diktatur wie auch der jungen Generation, dass die Diskussion über die Stasi nicht zu schnell abgeschlossen werde, sagte Köhler nach einem Besuch des ehemaligen Stasi-Gefängnisses in Berlin-Hohenschönhausen. Die Opfer hätten es „verdient, dass ihnen besser zugehört wird“.
Unterdessen setzte sich Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) dafür ein, den Koalitionsentwurf zum Stasi-Unterlagen-Gesetz doch zu verabschieden. „Ich favorisiere den Entwurf, den Bundesinnen- und Bundesjustizministerium für verfassungskonform halten“, sagte Zypries der SZ. Danach soll es künftig nur noch dann eine Überprüfung auf eine Stasi-Mitarbeit geben, wenn es darum geht, eine herausgehobene Stelle zu besetzen. Dies sei „politisch die bessere Lösung“.
Befristete Verlängerung
Zypries räumte aber ein, eine befristete Verlängerung der geltenden Regelung, „beispielsweise um fünf Jahre“, sei „verfassungsrechtlich denkbar“, eine unbefristete Verlängerung indes „problematisch“. Zypries sagte: „Es wäre kaum verhältnismäßig, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag jeden auf Stasi-Mitarbeit zu überprüfen, der neu in den Öffentlichen Dienst eingestellt wird.“
Der Vorsitzende des Beirats der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Richard Schröder, sprach sich ebenfalls für die geplante Novelle aus. Der SPD-Politiker und Theologe sagte der SZ, es gehe ja gerade um eine Verlängerung der Überprüfungen, die nach dem geltenden Recht Ende dieses Jahres auslaufen würden. Schröder setzte sich aber für ein Ende der Überprüfungen für einfache Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes ein. „Es ist ein Grundgedanke des Rechtsstaates, dass jemand, der sich vergangen hat, bestraft wird“, sagte Schröder. „Nach einer bestimmten Zeit bekommt derjenige aber die Chance eines Neuanfangs. Das sollte auch hier der Fall sein.“ Es sei „nicht in Ordnung“, wenn ehemalige Stasi-Mitarbeiter ihre Schuld „ein Leben lang vor sich her tragen müssen“.
Die Geschichtsaufarbeitung werde durch die geplante Novelle nicht blockiert. Auch wenn niemandem mehr wegen einer Stasi-Mitarbeit gekündigt werden dürfe, bedeute dies nicht, dass nicht mehr darüber geredet werden könne, sagte Schröder. „Das will niemand.“ (mit epd)
http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=1324442
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Hintergrund Wolf Biermann - Liedermacher, Lyriker, Essayist
Von Hannes Stein
Am 15. November 1936 wurde Wolf Biermann als einziges Kind von Emma und Dagobert Biermann geboren. Seine Eltern waren beide Kommunisten, der Vater außerdem noch Jude. 1943 wurde er nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Wolf Biermann erlebte im selben Jahr die verheerende Bombennacht in Hamburg. Mit 17 verließ er seine Vaterstadt und wanderte in die DDR aus (er wunderte sich, dass ihm dabei so viele Flüchtlinge entgegenkamen).
Die Niederschlagung des Aufstandes vom 17. Juni 1953 hat er nicht miterlebt, aber begrüßt. Überhaupt war er zunächst ein braves Kommunistenkind. Er studierte (Mathematik, Ökonomie) und wurde Regieassistent am Berliner Ensemble. Damals fing er an, Lieder zu schreiben, in denen er Kritik an der Praxis (nicht an der Theorie!) des Sozialismus übte, sehr zaghaft zunächst, dann immer schroffer. 1961 erließ die SED ein totales Auftrittsverbot; danach sang Biermann zwölf Jahre lang nur in seiner Wohnung mit der berühmten Adresse Chausseestraße 131.
Tonbänder mit seinen Liedern wurden in den Westen geschmuggelt, wo die Firma CBS sie in Schallplatten verwandelte. 1976 bürgerte das SED-Regime Biermann gegen seinen Willen aus der DDR aus. Seither lebt er wieder in Hamburg. Es folgten Konzerte in vielen Ländern, Fernsehauftritte, Essays - und in den achtziger Jahren: Biermanns Bruch mit der kommunistischen Ideologie.
Artikel erschienen am 15.11.2006 http://www.welt.de/data/2006/11/15/1110730.html
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Ehrung für Biermann weiter: http://www.spiegel.de/kultur/musik/0,1518,448136,00.html
Einst aus der DDR verstoßen, heute in der BRD geehrt: Der Liedermacher Wolf Biermann wird pünktlich zu seinem 70. Geburtstag mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Außerdem jährt sich der Tag seiner Ausbürgerung aus der DDR zum 30. Mal.
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Berliner Kurier, 13.11.2006
Checkpoint Charlie: Senat will Militärspektakel beenden
Für viele Besucher gehören die in Militär- uniformen posierenden Schauspieler zur Folklore am Checkpoint Charlie. Für die Betreiber des Mauermuseums, für Zeitzeugen der Teilung und manche Regierungsvertreter sind sie ein Ärgernis. Jetzt hat der Chef der Senatskanzlei, André Schmitz, einen neuen Versuch unternommen, das bunte Treiben der auf Spenden von Touristen zielenden Selbstdarsteller an Berlins international bekanntestem Mauerort einzuschränken.
In einem Brief an das Bürgermeisterbüro von Friedrichshain-Kreuzberg bat Schmitz den Bezirk, Schritte zu ergreifen, „die sicherstellen, dass die Atmosphäre rund um den Checkpoint Charlie dem Ort angemessen ist“. So berichtet es Vern Pike, zu Mauerzeiten amerikanischer Militärpolizeichef am Checkpoint Charlie, in einem Brief an den Tagesspiegel.
Als Pike kürzlich in Berlin zu Besuch war, ärgerte er sich über die Schauspieler und fand, sie entwürdigten den historischen Ort. Das schrieb er dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit. Jetzt erhielt der in North Carolina lebende Pike eine zustimmende Antwort von Schmitz mit besagter Ankündigung, wie Pike berichtet. Schmitz und Wowereit waren gestern für Stellungnahmen nicht zu erreichen. Der künftige Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), kennt Schmitz’ Brief bislang nicht. Er sieht derzeit auch „keine rechtliche Handhabe“, um gegen das bunte Treiben vorzugehen. Er könnte sich jedoch vorstellen, als Antwort auf das Senatsschreiben die rechtliche Lage erneut zu untersuchen. Erst muss er jedoch als Bürgermeister gewählt werden, was am morgigen Mittwoch geschehen soll. lvt
13.11.2006 - Schauplatz - Robert Schuster
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Die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Tschechien
Auch 17 Jahre nach dem Fall des Kommunismus in Tschechien sind immer noch
nicht alle Facetten des einstigen totalitären Regimes bekannt. Mit ihrer
Aufarbeitung befasst sich seit mehr als zehn Jahren das Amt zur
Dokumentation und Ermittlung der kommunistischen Verbrechen.
Jene 17 Jahre, die seit dem Fall des Kommunismus in Tschechien
vergangen sind, sind immer noch eine relativ kurz Zeit, um im vollen
Umfang die Zeitspanne 1948 bis 1989 aufarbeiten zu können. Zwar konnten
die Opfer dieser Zeit rehabilitiert werden und auch die Mechanismen und
Strukturen des totalitären Regimes sind bereits bekannt.
Dennoch ist aber auf juristischer Ebene immer noch Einiges im Gange. So
fällte erst vor wenigen Tagen der Oberste Gerichtshof Tschechiens ein
Urteil, dass vielleicht in Bezug auf die Zeit des Kommunismus Bahn
brechend sein wird. Die Richter entschieden nämlich, dass jene Fälle, in
denen kommunistische Grenzpolizisten mit dem Gebrauch ihrer Waffe ihre
Mitbürger daran hinderten das Land zu verlassen und oft auch töteten,
nicht verjähren können. Zudem entschieden die Richter, dass die
Grenzwachen in dem konkreten Fall selbst nach den damals geltenden
kommunistischen Gesetzen fahrlässig handelten. Da es gegen dieses Urteil,
das in letzter Instanz gefällt wurde, keine Berufungsmöglichkeit mehr
gibt, kann angenommen werden, dass es in einigen Monaten zu einer Reihe
von Prozessen gegen ehemalige Angehörige der kommunistischen Grenzpolizei
kommen könnte.
Kommentar CWH: Wir könnten auch von unseren Nachbarn noch einigers lernen; jedenfalls sollte dieses Urteil allen Bundestagsabgeordneten übersandt werden!
Auch für die historische Forschung ist das Thema Kommunismus in
Tschechien immer noch mit einigen Überraschungen verbunden. So passiert es
häufig, dass auf den ersten Blick scheinbar unwichtige Notizen, die in den
Archiven gefunden werden, dann beim genaueren Hinsehen eine neue Facette
des totalitären Regimes aufdecken und das Gesamtbild vervollständigen.
Eine jener offiziellen Stellen, die sich seit mehr als zehn Jahren mit
dem Festhalten der kommunistischen Verbrechen befassen, ist das Amt zur
Dokumentation und Ermittlung der kommunistischen Verbrechen. Über die
Tätigkeit dieser Institution, wie auch über den Stand der Aufarbeitung der
kommunistischen Verbrechen unterhielten wir uns im Folgenden mit dem
Historiker Jan Kalous, der zu jenen 25 hauptberuflichen Ermittlern und
Dokumentaristen gehört, die bei dem Amt tätig sind. Jan Kalous erläutert
zunächst einmal einige Grundsätze, nach welchen das Amt zur Dokumentation
und Ermittlung der kommunistischen Verbrechen vorgeht:
"Wenn es um irgendwelche quantitativen Ausgangspunkte geht,
dann muss man zunächst definieren, was man eigentlich erreichen will. Die
Dauer der Dokumentationsphase ist praktisch unbeschränkt, dort gibt es
eine Reihe von Möglichkeiten und Ereignisse, die sich detailliert
untersuchen lassen, wo man die Zusammenhänge zwischen Repression und der
geltenden politischen Linie herstellen kann. Was die Ermittlungsphase
angeht, so lässt sich sagen, dass wir uns zehn oder elf Jahren nach der
Gründung unseres Amtes in einer Situation befinden, wo es keine Anregungen
von außen mehr gibt und wir alles in den Archiven suchen müssen. Zudem
endet in dieser Phase unsere Arbeit dort, wo wir genug Unterlagen
gesammelt haben, damit dann die zuständige Staatsanwaltschaft Anklage
erheben kann. Wenn wir das aus dieser Perspektive betrachten, so ist es
nicht immer gelungen, aus welchen Gründen auch immer, alles aufzuspüren.
Zu den Schwierigkeiten, mit denen wir konfrontiert wurden, gehörten zum
Beispiel verschiedene Amnestien, die Einfluss auf die Ermittlungen hatten.
Oder ein weiterer Punkt war der Streit, ob zum Beispiel Grenzpolizisten den
Status von öffentlichen Beamten hatten. Andere Probleme ergaben sich
daraus, wenn der Täter vorgab sich an nichts mehr erinnern zu können usw.
Natürlich haben auch die Gerichte einzelne Fälle oft in die Länge gezogen,
wobei in der Zwischenzeit dann wichtige Zeugen starben und der Täter somit
nicht ermittelt werden konnte."
In wie vielen Fällen konnten bislang anhand der Arbeit der
Dokumentaristen und Ermittler konkrete Personen wegen ihrer Vergehen vor
Gericht angeklagt werden? Jan Kalous:
"Unser Amt hat seit seinem Bestehen gegen ungefähr 200 Personen
ermittelt; davon wurden zirka dreißig verurteilt - egal ob rechtskräftig,
auf Bewährung oder ohne Bewährung. Von den hohen politischen Vertretern
des kommunistischen Regimes wurde lediglich der frühere Parteisekretär
Karel Hoffmann verurteilt, obwohl auch die jeweiligen Innenminister, oder
Polizeichefs vor Gericht standen. Es kam dabei zu verschiedenen
Verzögerungen, meist prozedureller Art. Aus der Sicht der früheren
politischen Gefangenen war es wichtig, dass es überhaupt zu einem
Gerichtsurteil gekommen ist und dass dort die Schuld der Angeklagten
festgestellt wurde. Das konkrete Strafmaß war dann nicht mehr so
wichtig."
Als das Amt zur Dokumentation und Ermittlung der kommunistischen
Verbrechen vor mehr als zehn Jahren gegründet wurde, kam es vor allem in
der Anfangsphase häufig vor, dass die Anklagen, die auf Grund von
Ermittlungen des Amtes für die Aufklärung der Verbrechen des Kommunismus,
von den Staatsanwälten wieder zurückgewiesen wurden - meisten wegen
formalen Fehlern. Auf diese Fehler verwiesen stets vor allem die Kritiker
dieser Ermittlungen, die sich meistens aus dem kommunistischen Lager
rekrutierten, die auch erfolglos - wie sich im Nachhinein gezeigt hat -
versuchten die Kompetenzen des Dokumentationsamtes auszuhöhlen, oder es
ganz aufzulösen.
In den vergangenen Monaten wurde in Tschechien die Gründung eines so
genannten "Instituts des nationalen Gedächtnisses" ins
Leben gerufen. In den Nachbarstaaten Slowakei und Polen, wo es bereits
solche Institutionen gibt, handelt es sich um eine zentrale Anlaufstelle
für alle Fragen, die mit der kommunistischen Vergangenheit dieser Länder
zusammenhängt, also beginnend mit der Möglichkeit in die Akten der
kommunistischen Geheimpolizei einzusehen, bis hin zur Vergabe von
Forschungsstipendien an junge Historiker.
Ein entsprechender Gesetzentwurf passierte in der vergangenen Woche
denkbar knapp - und zwar nur mit der Mehrheit einer einzigen Stimme - die
erste von insgesamt drei Lesungen im Abgeordnetenhaus. Zum künftigen
Institut des nationalen Gedächtnisses meint abschließend der Historiker
Jan Kalous vom Amt zur Dokumentation und Ermittlung der kommunistischen
Verbrechen:
"Das Institut des nationalen Gedächtnisses ist eine Institution,
die stark vom slowakischen und polnischen Modell beeinflusst ist, natürlich
hat man sich auch vom deutschen Modell inspirieren lassen. Grundsätzlich
gibt es einige Unterschiede zum jetzigen Amt zur Ermittlung und
Dokumentation der kommunistischen Verbrechen. Das Institut wird eine Rolle
bei der Lösung von Lustrationsfällen spielen, es wird auf Grund einer
verstärkten Publikationstätigkeit auch der breiteren Öffentlichkeit
weitaus stärker Informationen über die Vergangenheit bieten können. Das
hatte bisher auch das Ermittlungs- und Dokumentationsamt gemacht, aber in
einer eingeschränkten Form. Es wird natürlich auch eine stärkere
Zusammenarbeit mit den Partnerinstituten im Ausland geben. Neu wird auch
sein, dass dieses Institut nicht irgendeinem Ministerium unterstellt sein
soll, weil wir zum Beispiel bislang stets ins Innenministerium
eingegliedert waren. Wichtig ist, dass diese neue Stelle ein eigenes
Archiv haben wird und auch das umfangreiche Archiv des Innenministeriums
übernehmen wird. Wir waren in diesem Zusammenhang immer auf die
Zusammenarbeit von Seiten der Archive angewiesen. Das neue Institut wird
aber keine Kompetenzen im Ermittlungsbereich haben."
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL: http://www.radio.cz/de/artikel/85240
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